Aktuelle wissenschaftliche Daten deuten darauf hin, dass Raucher und Menschen mit moderatem Alkoholkonsum seltener an Hashimoto-Thyreoiditis erkranken als Menschen, die vollkommen abstinent leben oder exzessiv trinken und rauchen. Unserer Erfahrung nach erschwert allerdings beides, vor allem aber Tabakkonsum, die Therapie der Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis. Alkoholkonsum und Rauchen haben das Potenzial, Stoffwechselprozesse, die infolge einer Hashimoto-Thyreoiditis beeinträchtigt sein können, zusätzlich zu stören.
Beide Suchtmittel schädigen die Blutgefäße, begünstigen Arteriosklerose und damit die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die zu den häufigsten Folgeerkrankungen der Hashimoto-Thyreoiditis zählen. Zudem kann sich der Mangel an Schilddrüsenhormonen negativ auf die Funktion der Leber auswirken, die beim Alkoholabbau besonders beansprucht wird. Insgesamt überwiegen die gesundheitlichen Gefahren, die von Alkohol- und Tabakkonsum ausgehen, die Vorteile eines isolierten schützenden Effekts bei Hashimoto-Thyreoiditis. Im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtung ist es aus medizinischer Sicht daher in jedem Fall ratsam, nicht zu rauchen und den Alkoholkonsum auf ein Minimum zu reduzieren.

Die Folgen des Rauchens sind gut erforscht und weithin bekannt. Lungenkrebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder periphere arterielle Verschlusskrankheit in den Beinen (Raucherbein) und erektile Dysfunktion (Impotenz) beim Mann sowie Leberzirrhose, Magen- und Speiseröhrenkrebs, Schädigungen des Nervensystems und fetales Alkoholsyndrom bei Neugeborenen sind nur einige der möglichen Auswirkungen. Laut Bundesgesundheitsministerium sterben pro Jahr rund 74 000 Menschen an den Auswirkungen des Alkoholkonsums und sogar rund 120 000 an den Folgen des Rauchens. Angesichts dieser Zahlen mag es erstaunen, zu welchen Ergebnissen neuere Studien hinsichtlich der Auswirkungen des Tabak- und Alkoholkonsums auf die Entstehung von Hashimoto-Thyreoiditis kommen. Sie legen nahe, dass Rauchen und Alkoholkonsum in Bezug auf Hashimoto-Thyreoiditis eher eine schützende als eine schädigende Wirkung haben. Das klingt kurios, ist aber keineswegs eine so große Überraschung, wie man vielleicht denken könnte. Rauchen ist zwar unter den Risikofaktoren von Autoimmunerkrankungen ein alter Bekannter, Wissenschaftler sind aber immer wieder auf Zusammenhänge gestoßen, in denen sich der Tabakkonsum anscheinend förderlich auswirkt. Zum Teil fand man entgegengesetzte Wirkungen des Rauchens sogar bei verschiedenen Autoimmunkrankheiten, die ein und dasselbe Organ betreffen. Zum Beispiel ist bekannt, dass Rauchen das Risiko, an Colitis ulcerosa zu erkranken, senkt, während es das Morbus-Crohn-Risiko erhöht. Für Patienten mit rheumatoider Arthritis wird berichtet, dass Alkohol, in Maßen konsumiert, Krankheitsschübe reduzieren kann. Ähnlich wie in diesen Beispielen scheint es sich auch mit Autoimmunkrankheiten der Schilddrüse zu verhalten.
Eine Auswertung von 25 Forschungsarbeiten zum Zusammenhang von Rauchen und Autoimmunthyreopathien kam zu dem Ergebnis, dass Raucher ein dreifach höheres Risiko haben, an Morbus Basedow zu erkranken, und sogar ein vierfach höheres Risiko, eine endokrine Orbitopathie zu entwickeln. Frauen erkranken unter Tabakkonsum wahrscheinlicher an der Postpartum-Thyreoiditis. Gleichzeitig lassen sich bei Rauchern aber seltener als bei Nichtrauchern erhöhte Konzentrationen von TG- und TPO-Antikörpern nachweisen.

Mehrere Studien, etwa aus den USA und Norwegen, kamen zu dem Ergebnis, dass der TSH-Spiegel von Rauchern im Durchschnitt niedriger ist als bei Nichtrauchern.60 Die Forscher fanden heraus, dass sich Tabakkonsum insgesamt günstig auf das Risiko auswirkt, an Hashimoto-Thyreoiditis zu erkranken. Es ist allerdings weitgehend unklar, welcher Mechanismus hinter diesem Zusammenhang stehen könnte. Eine Möglichkeit wäre, dass Nikotin das Zytokinprofil beeinflusst. Nikotin kann nicht nur an Rezeptoren auf Nervenzellen, sondern auch auf Immunzellen binden. Ein schützender Effekt wurde auch im Fall des Alkohols festgestellt: Moderater Alkoholkonsum verringert die Häufigkeit von Autoimmunthyreopathien.
Mit anderen Worten: Menschen, die vollkommen auf Alkohol verzichten oder exzessiv trinken, haben ein höheres Risiko, an Morbus Basedow oder Hashimoto-Thyreoiditis zu erkranken. Wieso das so ist, konnte bislang auch in dieser Frage nicht geklärt werden. Eine Ursache könnte sein, dass Abbauprodukte des Alkohols eine dämpfende Wirkung auf T-Helferzellen haben. Wirkt sich Rauchen und Alkohol-Trinken in Zusammenhang mit Hashimoto-Thyreoiditis
also wirklich förderlich aus? Es ist zu früh, Rauchen und Alkohol von der Liste der Risikofaktoren von Hashimoto-Thyreoiditis zu streichen. Über die Wirkung des Rauchens auf die Schilddrüse ist schlicht noch zu wenig bekannt.
Die Effekte der Wirkstoffe im Organismus sind komplex. In Tabakrauch sind mehrere Tausend unterschiedliche Substanzen enthalten. Neben dem psychoaktiven Nervengift Nikotin nehmen Raucher mit jedem Zug viele weitere toxische und krebserregende Substanzen zu sich, die in einem Geflecht von Wechselwirkungen stehen. Es ist nicht klar, was zu dem schützenden Effekt führt, der im Zusammenhang mit dem Rauchen beobachtet wurde. Andere Faktoren wie die Jodaufnahme, der Body-Mass-Index oder die Zufuhr von Selen oder Vitamin-D können die Studienergebnisse beeinflusst haben. Zudem ist die schützende Wirkung, die in Studien festgestellt werden konnte, abhängig von der Dosis, in der Tabak und Alkohol konsumiert wurden.
Für Patientinnen mit Hashimoto-Thyreoiditis ist aber entscheidend, dass eine Verringerung der Häufigkeit, mit der Hashimoto-Thyreoiditis auftritt, nichts über den Effekt aussagt, den Alkohol- und Tabakkonsum auf eine bestehende Krankheit ausübt.
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