Der Begriff „Hashimoto-Lüge“ polarisiert – in Foren, Blogs und selbsternannten Expertenkreisen. Doch was verbirgt sich hinter dieser Schlagzeile? Sind es Fehlinformationen, Halbwahrheiten oder alternative Ansätze, die die Diskussion prägen? Als führendes Zentrum für Schilddrüsenerkrankungen möchten wir die Fakten von den Mythen trennen.
Die „unsichtbare“ Hashimoto-Lüge: Warum viele Betroffene keine Hilfe finden
Die Hashimoto-Thyreoiditis ist die häufigste Ursache für Schilddrüsenunterfunktion in westlichen Ländern, bleibt jedoch oft unerkannt. Symptome wie Müdigkeit, Gewichtszunahme und Konzentrationsschwäche werden oft fehlinterpretiert. Die Erkrankung galt einst als seltenes medizinisches Randphänomen. Heutzutage zählt sie zu den am meisten verbreiteten Autoimmunstörungen. In den westlichen Industrienationen ist Hashimoto-Thyreoiditis die weitaus häufigste Ursache der Schilddrüsenunterfunktion. Man schätzt, dass vier bis zehn Prozent der Bevölkerung – manche Studien gehen von bis zu zwölf Prozent aus – irgendwann im Lauf ihres Lebens an Hashimoto-Thyreoiditis erkranken, und die Tendenz ist steigend. Betroffen sind vor allem Frauen. Sie entwickeln die Krankheit rund zehnmal häufiger als Männer.

Hashimoto-Lügen unter der Lupe: Die wissenschaftlichen Fakten
Die Antikörper-Lüge: Ohne Antikörper keine Krankheit?
Lösen TPO- und TG-Antikörper die Hashimoto-Thyreoiditis aus? Verschlimmern sie den Krankheitsverlauf? Oder haben sie eventuell überhaupt keinen Einfluss auf die Schwere der Symptome? Unbestritten ist das Vorhandensein von Antikörpern, die sich gegen Bestandteile der Schilddrüse richten – ein wesentliches Charakteristikum von Hashimoto-Thyreoiditis. Antikörper und Krankheit treten so zuverlässig gemeinsam auf, dass es naheliegend erscheint, eine Ursache-Wirkung-Beziehung zwischen beiden anzunehmen. Aber Vorsicht vor voreiligen Schlüssen! Cum hoc ergo propter hoc* nennen Lateiner diesen logischen Fehlschluss. Bloße Korrelation darf nicht irrtümlich als Kausalität aufgefasst werden. Nur weil zwei Phänomene in zeitlicher oder räumlicher Nähe zueinander stehen, heißt das noch nicht, dass das eine das andere verursacht. Ehrlicherweise muss man sagen, dass auch mehr als 60 Jahre nach der revolutionären Entdeckung der TG-AK durch die amerikanische Forschungsgruppe um Noel Rose und die britische Gruppe um Deborah Doniach nicht zweifelsfrei klar ist, welche Rolle die Antikörper bei der Entwicklung und dem Verlauf der Hashimoto-Thyreoiditis eigentlich spielen.
Einerseits lässt sich in Tierversuchen zeigen, dass Mäuse, denen entweder TG- oder TPO-Antigene verabreicht wurden, an einer Autoimmunthyreoiditis erkranken. Die Proteine scheinen bei der Pathogenese, also der Entstehung der Krankheit, beteiligt zu sein. Bei Menschen lassen sich zudem auf der Grundlage eines erhöhten TPO-Antikörperspiegels Vorhersagen über die Entwicklung einer latenten zu einer overten Schilddrüsenunterfunktion treffen. Andererseits – das zeigen Untersuchungen am Menschen – hat die Mehrheit mit messbaren Antikörperspiegeln eine normale Schilddrüsenfunktion. Erhöhte Antikörperkonzentrationen lassen sich bei rund zehn Prozent der Bevölkerung feststellen. Bei Frauen nach der Menopause könnte der Anteil laut verschiedenen Studien mehr als doppelt so hoch sein. Viele Frauen haben nach der Geburt einen erhöhten TPO-Titer. Und es wird noch vertrackter: Fast alle Menschen, die an Hashimoto-Thyreoiditis erkrankt sind, entwickeln Antikörper gegen TPO und TG oder nur eine Art, aber längst nicht jeder, der diese Antikörper in sich trägt, leidet unter Symptomen der Hashimoto-Thyreoiditis. Bei Hashimoto-Patienten kann es zudem vorkommen, dass zu einem frühen Zeitpunkt der Erkrankung keine erhöhten Antikörperkonzentrationen festgestellt werden können. Auch später kann es passieren, dass die Werte stark schwanken und zum Teil bis unter die Nachweisbarkeitsschwelle absinken. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Krankheit verschwunden sein muss. Natürlich schließen sich die wissenschaftlichen Ergebnisse nicht gegenseitig aus. Es zeigt sich aber, dass der Zusammenhang zwischen Antikörpern und dem Auftreten der Hashimoto-Thyreoiditis kein einfacher ist. Zu seinem Verständnis bedarf es unbedingt weiterer Forschungen.
Nach unserer Erfahrung sind hohe Antikörpertiter in der Regel ein Zeichen für eine starke Entzündung der Schilddrüse. Das deckt sich mit den Ergebnissen, zu denen einige Studien in den letzten Jahren kamen.24 Danach hängt vor allem die Höhe der TPO-Antikörperkonzentration mit Schäden des Schilddrüsengewebes und Infiltration durch Lymphozyten zusammen. TPO-Antikörper vom Typ IgG sind durchaus in der Lage, durch sogenannte Komplementbindung an spezifische Antigene zytotoxische Prozesse auszulösen. Ihre Wirkung könnte demnach darin bestehen, dass sie die Zerstörung der Schilddrüse verstärken. Es gibt allerdings keine Hinweise darauf, dass sie der hauptsächliche Faktor bei der Schädigung des Gewebes sind. Rätselhaft erscheint dagegen die Rolle der TG-Antikörper. Ihre funktionalen Auswirkungen sind unbekannt; an der Zellzerstörung sind sie jedenfalls nicht direkt beteiligt. Diese Erkenntnis entbehrt nicht einer gewissen Ironie, bedenkt man die enorme historische Bedeutung, die TG-Autoantikörper in der Entdeckung der Autoimmunkrankheiten spielten und in der heutigen Diagnostik von Hashimoto-Thyreoiditis zum Teil noch spielen. Die häufigsten TPO-Antikörper vom Typ IgG sind die sogenannten IgG1- und IgG4-Antikörper. Sind IgG4-Antikörper die vorherrschenden Triebkräfte der Autoimmunreaktion in der Schilddrüse, nimmt die Hashimoto-Thyreoiditis einen eigenwilligen und schnelleren Verlauf. Er kann zum Beispiel dadurch gekennzeichnet sein, dass Plasmazellen verstärkt ins Gewebe einwandern und es zu einem höheren Grad der Bindegewebsbildung kommt. Dieser Zusammenhang wurde erst Anfang des vergangenen Jahrzehnts entdeckt. Das führte dazu, dass man heutzutage die IgG4-Form der Hashimoto-Thyreoiditis von anderen Formen (hypertrophe und atrophe Form) der Erkrankung abgrenzt. Kurioserweise ist die IgG4-Thyreoiditis im Gegensatz zu den übrigen Hashimoto-Subtypen die einzige, die bei Männern häufiger auftritt als bei Frauen. Es bleibt zu hoffen, dass die Forschung in der Frage nach der kausalen Rolle der Antikörper bei Hashimoto weitere Ergebnisse zutage fördert. Das genaue Verständnis der Entstehung der Hashimoto-Thyreoiditis ist notwendig, um neue Therapiemöglichkeiten, zum Beispiel Formen der Immuntherapie für Betroffene, zu entwickeln.
Die Heilungs-Hashimoto-Lüge
Eine der gefährlichsten Hashimoto-Lügen ist die Behauptung, dass die Krankheit vollständig heilbar sei – etwa durch spezielle Diäten, Nahrungsergänzungsmittel oder alternative Methoden.
Hashimoto-Thyreoiditis bleibt eine bestehende Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem die Schilddrüse angreift. Eine Heilung im Sinne von einem vollständigen Verschwinden der krankhaften Prozesse ist, obwohl sie in Einzelfällen beobachtet werden kann, bislang im Fall der Hashimoto-Thyreoiditis nicht zuverlässig herbeizuführen. Natürlich ließe sich einwenden, dass Gesundheit – verstanden als Abwesenheit von Krankheit – ein Versprechen ist, das Ärztinnen zu keiner Zeit und an keinem Ort einlösen konnten.
Wir haben in unserem Leben die Erfahrung gemacht, dass Knochen nach einem Bruch zusammenwachsen und Infektionen nach Einnahme von Antibiotika verschwinden. Wir neigen dazu, Krankheiten als isolierte Phänomene anzusehen, als Konsequenzen meist äußerer und direkter Ursachen. Doch das trifft auf viele Krankheiten einfach nicht zu. Krankheit ist ein Wesensmerkmal lebender Organismen und kann nicht scharf von Gesundheit abgegrenzt werden. Im Gegenteil. Der eine Zustand geht fließend in den anderen über. Verständlicherweise sind solche philosophischen Betrachtungen jedoch das Letzte, das Menschen mit akuten Beschwerden benötigen. Sie haben krankheitsbedingt eine sehr klare Vorstellung davon, was »Krankheit« bedeutet und was es braucht, um »gesund« zu werden: die Linderung der Beschwerden. Genau hierin besteht das vorrangige Ziel einer jeden Hashimoto-Behandlung.
Die Jod-Hashimoto-Lüge
Jod ist ein essenzielles Spurenelement, das für die Schilddrüsenfunktion unverzichtbar ist. Doch zu viel Jod kann die Autoimmunreaktion verstärken.
Der sogenannte Wolff-Chaikoff-Effekt zeigt, dass eine Überdosierung von Jod die Hormonproduktion der Schilddrüse blockieren kann. Menschen mit Hashimoto sind besonders sensibel gegenüber hohen Jodmengen .
Die optimale Jodzufuhr sollte individuell angepasst werden. Ein Zuviel, etwa durch Nahrungsergänzungsmittel, kann mehr schaden als nützen.
Ganzheitlicher Ansatz: Individuelle Wege zur Lebensqualität
Die Behandlung von Hashimoto-Thyreoiditis erfordert ein Zusammenspiel aus moderner Diagnostik, gezielter Medikation und Lebensstiloptimierung. Wir legen besonderen Wert auf ganzheitliche Ansätze, die den Menschen mit Ihren Symptomen in den Mittelpunkt stellen – von Ernährung über Stressbewältigung bis hin zu einem fundierten Verständnis der Erkrankung.
Als Fachärzte mit jahrzehntelanger Erfahrung in der Hashimoto-Therapie stehen wir Ihnen zur Seite – mit umfassender Diagnostik, individueller Behandlung und evidenzbasierter Beratung. Sie finden uns an unseren Standorten Bonn und Bornheim.

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