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Der Einfluss von Jod bei Hashimoto-Thyreoiditis

Dr. Christian Lunow

Ein Zuviel oder zu wenig an Jod kann Schilddrüsenerkrankungen wie Hashimoto-Thyreoiditis oder eine Schilddrüsenvergrößerung fördern.


Die Produktion von T3 und T4 wird nicht nur durch den Hormonregelkreis, sondern auch durch die Menge des Jodids im Blut beeinflusst. Ist die Konzentration von Jodid im Plasma niedrig, wird seine Aufnahme in den Magen-Darm-Trakt und in die Schilddrüsenzellen gesteigert. Die umgekehrte Wirkung tritt ein, wenn die Jodidkonzentration im Blut erhöht ist. Diese Art der Rückkopplung wird als Autoregulation der Schilddrüse bezeichnet.


Wie viel Jod ist gesund bei Hashimoto-Thyreoiditis?


Schilddrüsenhormone sind die einzigen bekannten Moleküle in unserem Körper, die auf Jod angewiesen sind. Anhaltender Mangel an Jod verringert die Fähigkeit der Schilddrüse, Hormone zu bilden. Je nach Alter eines Menschen kann das unterschiedliche, teils schwerwiegende gesundheitliche Probleme wie die Jodmangel-Struma oder Entwicklungsstörungen bei Säuglingen verursachen. Im Umkehrschluss heißt das für die Schilddrüse aber nicht: je mehr Jod, desto besser. Die Schilddrüse hat zwar im Laufe der Evolution gelernt, Jod für sich nutzbar zu machen und kleinere Schwankungen der Menge auszugleichen. Dennoch ist sie ein sehr empfindliches Organ.



Blutkreislauf Schilddrüse
Blutkreislauf Schilddrüse

Allgemein lässt sich festhalten: Wie hoch das Maß an Jod ist, damit eine gesunde Schilddrüse normal funktionieren kann, ist individuell unterschiedlich. Es hängt vom Alter, vom Gewicht, von der genetischen Ausstattung und den Lebensumständen eines jeden Menschen ab. Richtwerte, wie sie von internationalen und nationalen Gesundheitsorganisationen erarbeitet werden, differenzieren bei ihren Empfehlungen in der Regel zwischen Kindern und Erwachsenen mit besonderer Berücksichtigung von schwangeren und stillenden Frauen. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) sollten Erwachsene rund 150 bis 200 μg Jod pro Tag zu sich nehmen, damit die Schilddrüse ihre normale Funktion aufrechterhalten kann. Diese Werte gelten für Menschen, deren Schilddrüse keine Funktionseinschränkung, etwa durch Hashimoto-Thyreoiditis, aufweist. Schwangere und stillende Frauen haben einen erhöhten Bedarf an Jod. Ihre Tageszufuhr sollte laut DGE 230 μg beziehungsweise 260 μg betragen, während die WHO für beide Gruppen eine Menge von 200 μg angibt.

Empfehlungen zu einer Obergrenze der täglichen Jodzufuhr werden zwar ebenfalls von verschiedenen Gesundheitsorganisationen ausgesprochen. Diese Angaben gehen jedoch weit auseinander. Zudem zeigen neuere Studien, dass erhöhter Jodkonsum keinesfalls so harmlos ist, wie die Grenzwerte suggerieren. Eine akute Jodvergiftung ist zwar in der Tat äußerst selten. Wenn die Jodzufuhr exzessiv oder dauerhaft gesteigert wird, können aber durchaus andere gesundheitliche Probleme auftreten. Eine zu hohe Aufnahme von Jod kann ebenso wie großer Jodmangel gravierende Folgen für die Produktion der Schilddrüsenhormone haben und sie sogar vollständig zum Erliegen bringen. Dieses paradox anmutende Phänomen, das die »normale« Beziehung von Jodangebot und Schilddrüsenhormonproduktion in ihr Gegenteil verkehrt, wird »Wolff-Chaikoff-Effekt« genannt.


Wolff-Chaikoff-Effekt

Steigt der Jodidspiegel im Blut im Zuge einer hoch dosierten Einnahme des Spurenelements stark an, hemmt das Jodid die Jodperoxidase. Die Umwandlung zu Jod, das die Schilddrüse zum Bau ihrer Hormone benötigt, kommt zum Erliegen. Das Phänomen kann einige Tage bis wenige Wochen anhalten, bevor die Schilddrüse wieder normal funktioniert. Der Wolff-Chaikoff-Effekt ist ein eindrucksvolles Beispiel für die regulative Fähigkeit der Schilddrüse. Wie ein »Not-Aus-Schalter« verhindert er, dass die Welle an Jodid in einer Hormonüberschwemmung ausufert. Denn dies würde den gesamten Körper ins Chaos stürzen. Der genaue Mechanismus, der zur Blockierung der Hormonsynthese führt, ist noch nicht genau verstanden. Gleichwohl machen sich Chirurgen die hemmende Wirkung hoher Jodid-Konzentrationen auf die Aktivität des Schmetterlingsorgans bei Schilddrüsenoperationen zunutze. Diese Technik wird »Plummerung« genannt, nach ihrem Erfinder, dem amerikanischen Mediziner Henry Plummer. Der Name »Wolff-Chaikoff-Effekt« geht auf die Biochemiker Jan Wolff und Israel Lyon Chaikoff zurück. Sie haben das Phänomen erstmals 1948 an Ratten beschrieben.


Jod in sehr hoher Dosis, verabreicht beispielsweise bei Röntgenuntersuchungen mit jodhaltigem Kontrastmittel oder in Form von Medikamenten, kann die Schilddrüse irritieren, vorübergehende oder dauerhafte Funktionsstörungen auslösen und bei Menschen mit genetischer Prädisposition Hashimoto-Thyreoiditis verursachen. Die Schilddrüse scheint übermäßige Jodzufuhr schlechter kompensieren zu können als einen leichten Jodmangel. Kurzzeitige Engpässe kann sie ausgleichen, indem sie auf gespeichertes Jod zurückgreift. Bei anhaltender Jodunterversorgung schaltet die Schilddrüse in eine Art Sparmodus.

Bei Menschen mit leichtem bis mittlerem Jodmangel nutzt sie das begrenzt zur Verfügung stehende Angebot effektiver – allerdings auf Kosten einer Vergrößerung des Schilddrüsengewebes. Es kann zur euthyreoten Struma kommen. Mit fortgeschrittenem Alter wird eine betroffene Person mit großer Wahrscheinlichkeit eine Schilddrüsenüberfunktion entwickeln.


Jod bei Hashimoto-Thyreoiditis
Jod bei Hashimoto-Thyreoiditis

Wie lässt sich die Jodzufuhr messen?

Die Messung der Jodausscheidung im Urin ist eine Methode, um verlässliche Rückschlüsse auf die Zufuhr des Spurenelements ziehen zu können. Die Schilddrüse kann nur einen Bruchteil des aus Nahrung gewonnenen Jods speichern. Rund 80 bis 90 Prozent des Spurenelements werden über die Nieren ausgeschieden. Bei Erwachsenen ist es möglich, die Menge des Jods im Urin in Relation zum ausgeschiedenen Kreatinin zu messen. Auf diese Weise lassen sich Ungenauigkeiten minimieren, die durch unterschiedliche Urinkonzentrationen entstehen. Kreatinin ist ein Stoffwechselprodukt, das über die Niere ausgeschieden wird und dadurch eine Beurteilung der Nierenfunktion ermöglicht.


Wie steht es um die Jodversorgung in Deutschland?

Deutschland ist wie Mitteleuropa überhaupt ein natürliches Jodmangelgebiet. Das Spurenelement kommt im Boden, im Trinkwasser und damit in der pflanzlichen und tierischen Nahrung nur in geringer Menge vor. Unsere stammesgeschichtlichen Vorfahren und frühere Generationen waren vor allem auf den Verzehr von Meeresfrüchten angewiesen, um Jod aufzunehmen. Das änderte sich in den 1980er-Jahren, als begonnen wurde, Speisesalz zu jodieren. Die Jodversorgung in Deutschland stieg daraufhin deutlich an. 2007 ergab eine repräsentative Studie des Robert-Koch-Instituts eine Jodkonzentration von 117 μg pro Liter Urin im Median.

Nach den Kriterien der WHO lag die Jodversorgung in Deutschland damit im unteren optimalen Bereich. Laut WHO gilt eine Bevölkerung dann als optimal versorgt, wenn die gemessene Jodausscheidung im Urin im Median zwischen 100 und 200 μg pro Liter liegt. Der Erfolg in der Steigerung der Jodversorgung kann jedoch schnell darüber hinwegtäuschen, dass noch immer rund ein Drittel der Deutschen mit ihrer täglichen Jodzufuhr unterhalb des mittleren geschätzten Bedarfs liegt. Wie eine andere Studie des Robert-Koch-Instituts zeigte, dürfen vor allem Frauen im Alter zwischen 18 und 29 als unterversorgt gelten. Fast jede zweite Frau dieser Altersgruppe nimmt danach zu wenig Jod zu sich. Bei den Männern der gleichen Altersgruppe ist rund jeder Dritte unterversorgt. Erste Ergebnisse des aktuellen Jodmonitorings (2014 bis 2017) in Deutschland deuten zudem darauf hin, dass sich die Jodversorgung auf der Bevölkerungsebene insgesamt weiter verschlechtert hat. Mit einer medianen Jodausscheidung von rund 89 μg Jod pro Liter verfehlt Deutschland laut der Studie die Empfehlungen der WHO und gilt wieder als Jodmangelgebiet.

Es ist daher wenig verwunderlich, dass die Forderung nach stärkerer Prophylaxe lauter wird. Vorgeschlagen wird etwa die Anhebung des Jodierungsgrads von Speisesalz von 20 auf 25 μg pro Gramm. Ein solcher Schritt zielt klarerweise darauf ab, die Jodversorgung in der Breite zu steigern. Für den Einzelnen erhöht sich damit allerdings das Risiko, das individuelle Maximum bei der Jodaufnahme zu überschreiten. Bereits fünf Gramm Jodsalz – das entspricht etwa der Menge eines Teelöffels – enthalten schon jetzt rund 100 μg Jod. Eine Ernährung, die vermehrt auf industriell vorgefertigte Speisen beruht, kann die aufgenommene Jodmenge schnell an die empfohlene Höchstgrenze oder darüber hinaus treiben. Wer außerdem bestimmte Medikamente einnehmen muss oder auf frei verkäufliche Nahrungsergänzungsmittel zurückgreift, erlebt unter Umständen, wie sein Jodwert regelrecht explodiert. Wie wir noch sehen werden, gibt es gute Gründe, bei der Steigerung der Jodzufuhr über den Ausgleich eines festgestellten Mangelzustands hinaus Vorsicht walten zu lassen. Mehr Jod in Form von Salz zu sich zu nehmen, ist dabei übrigens ein denkbar schlechter Weg.

Menschen, die viel Salz essen, leiden nachweislich häufiger an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die WHO empfiehlt daher, den täglichen Salzkonsum auf einen Teelöffel, also rund fünf Gramm, zu beschränken. Möchten Sie Ihrem Jodhaushalt und damit Ihrer Schilddrüse etwas Gutes tun, dann verschonen Sie sie mit Experimenten auf eigene Faust, vor allem wenn Sie Ihren Jodstatus nicht kennen.


Salz bei Hashimoto-Thyreoiditis
Salz bei Hashimoto-Thyreoiditis

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